Der Phonovorverstärker verstärkt das Signal eines MC-Tonabnehmersystems mit 150V Empfindlichkeit auf Hochpegel und entzerrt es gleichzeitig nach der von der RIAA festgelegten Entzerrkurve (siehe [Hü97]). Die IEC-Entzerrung kommt nicht in Frage, da der Plattenspieler nicht rumpelt und die nachfolgende Elektronik in der Lage ist, alle vom MC-System kommenden Signale zu verarbeiten. Normalerweise gibt es auch irgendwo in der Kette zwischen Tonabnehmersystem und Lautsprecher mindestens einen Hochpaß, der Infraschallsignale ausreichend dämpft.
Der Vorverstärker besteht aus mehreren gekoppelten Einzelstufen (siehe Schaltplan ):
Die Wahl zweier getrennter Filter statt eines einzigen Kompositfilters zur RIAA-Entzerrung hat seine Ursache darin, daß ein Kompositfilter für alle drei Pole ist nur sehr kompliziert zu berechnen ist, weil die Pole recht nah beieinanderliegen und sich gegenseitig beeinflussen. Wer die sehr ausführlichen Berechnungsgrundlagen in [Lip79] begutachtet hat, versteht das schnell.
Weitere Designgründe finden sich in den folgenden Beschreibungen der einzelnen Stufen.
Es gibt mittlerweise extrem rauscharme Operationsverstärker, die auch preislich mit gepaarten rauscharmen Transistorpärchen durchaus vergleichbar sind, aber leichter erhältlich als diese. Ausserdem macht ein Transistorpaar allein noch keinen Verstärker und erfordert wesentlich mehr Aufwand bei der Regelung der Versorgungsspannung und sehr hohe Präzision der verstärkungsbestimmenden Widerstände. Beispiele für in Frage kommende Operationsverstärker sind der LT1028 von Linear Technology und der AD797 von Analog Devices.
Ein nichtinvertierender Verstärker von ca. 40 dB Verstärkung wird mit Hilfe eines Gegenkopplungsnetzwerks zweier Widerstände von und aufgebaut2.1. Ich tendiere zwar normalerweise nicht zu solch niedrigen Gegenkopplungswiderständen, um den Ausgang des Operationsverstärkers nicht unnötig zu belasten (aus Wärme- und klanglichen Gründen), in diesem Fall müssen wir aber eine Ausnahme machen, da vom Eingangsrauschstrom durchflossen wird. Er sollte deshalb so klein gehalten werden sollte, daß sein Beitrag zum Rauschen des Verstärkers vernachlässigbar wird.
Der Eingangswiderstand wird mit dem Widerstand parallel zum Eingang realisiert, der passend zum MC-System gewählt wird. Bei Low-Output MC-Systemen sind das 100-150, bei High-Output MC-Systemen kann man bis zu 1000 gehen (Herstellerangabe beachten). Ich habe hier gewählt.
Das führt jetzt dazu, daß wir am nichtinvertierenden Eingang einen Quellwiderstand von und am invertierenden Eingang von haben. Dieses Ungleichgewicht führt dazu, daß der Eingangsstrom (der bei den genannten Operationsverstärkern ziemlich hoch ist), der durch beide Quellwiderstände fließt, eine zusätzliche Offsetspannung hervorruft, die dann um 40 dB verstärkt wird. Normalerweise wird zur Reduzierung dieser zusätzlichen Offsetspannung ein kleiner Widerstand vor den invertierenden Eingang geschaltet, der das Ungleichgewicht kompensiert. Da dieser Zusatzwiderstand aber auch vom Rauschstrom durchflossen wird. habe ich ihn hier weggelassen. Der Offset wird dann später von der Offsetkompensation eliminiert.
Später habe ich dann noch in einem Kanal durch die Serienschaltung eines 750 Widerstands und eines 500 Trimmers ersetzt, um eventuelle Kanalunterschiede des Tonabnehmersystems ausgleichen zu können.
Für den 75 s Tiefpaß habe ich aus folgenden Gründen ein passives Filter gewählt:
Der Kondensator muß von sehr hoher Qualität bezüglich Toleranz und Klang sein. Es kommen eigentlich nur Styroflexkondensatoren in Frage, weil sie in 1% Genauigkeit erhältlich sind. Es gibt sie allerdings nur bis maximal 15nF. Ich habe hier gewählt, weil sich dann der zugehörige Widerstand nach Gleichung 2.1 zu ergibt, und dieser Wert ist mit 1% Genauigkeit erhältlich. Ich habe dabei aus einer größeren Menge mit Hilfe eines Kapazitätsmeßgerätes zwei Kondensatoren selektiert, die die gleiche Kapazität haben und möglichst nah am Sollwert liegen. Auch die 7,5k Widerstände wurden mit Hilfe eines Widerstandsmeßgerätes auf exakte Gleichheit selektiert.
Die zweite Verstärkerstufe ist zugleich das Filter für die beiden Pole 318s und 3180s. Ein passives Filter ist zwar möglich, macht aber wenig Sinn, weil man dann das Signal viel mehr verstärken müsste. Das wiederum erhöht den Klirrfaktor, und das wollen wir nicht.
Wir brauchen also ein Filter, welches bei DC mit voller Verstärkung arbeitet, dann bei 50,05 Hz mit 6 dB/Oktave abfällt und bei 500,5 Hz wieder in einen geraden Frequenzgang übergeht. Das lässt sich einfach dadurch erreichen, daß man dem Widerstand im Gegenkopplungsnetzwerk eine Serienschaltung aus dem Widerstand und dem Kondensator parallel schaltet. Bei sehr niedrigen Frequenzen wirkt als Unterbrechung, so daß die Verstärkung nur von abhängt. Bei sehr hohen Frequenzen wirkt als Kurzschluß, so daß die Verstärkung von abhängt.
Zur genauen Berechnung muß man die Formeln der Übertragungsgleichung der Filterschaltung herleiten und dann einen Koeffizientenvergleich mit der gewünschten Filterformel machen. Wir wollen das unter Annahme eines idealen Operationsverstärkers (unendliche Differenzverstärkung, unendliche Eingangsimpedanz, keine Ausgangsimpedanz) durchrechnen2.2.
Die Übertragungsgleichung der Filterschaltung ist:
(2.4) | |||
(2.5) | |||
(2.6) |
(2.10) | |||
(2.11) | |||
(2.12) |
Hörversuche im Vergleich zu meinem alten Vorverstärker2.4 mit Auskopplung des Signals vom Ausgang von ergaben, daß die neue Phonostufe zwar sauberer klang, wesentlich mehr Auflösung hatte und auch in den Frequenzextremen weiterreichte, aber gleichzeitig auch kühler, steriler und metallischer und insgesamt weniger musikalisch klang. Erst nach vielen Versuchen fand ich eine Lösung, die der neuen Phonostufe die vermissten Eigenschaften brachte: eine in die Gegenkopplung einbezogene Klasse-A Ausgangstufe mit einem Leistungsmosfet (Dank an Nelson Pass).
wird mit dem Sourcewiderstand als Sourcefolger
betrieben. Der Ruhestrom durch berechnet sich nach der Formel
Die Auskopplung zum Hochpegelvorverstärker und zum Tonbandausgang erfolgt jeweils über einen Serienwiderstand von , da ich sowohl intern wie extern Koaxkabel verwende (RG58 bzw. RG214U) und der Serienwiderstand eventuell auftretende Reflektionen2.6 vernichtet.
Die beiden Stufen des Phonovorverstärkers haben zusammen eine Gleichspannungsverstärkung von ca. .
Kurz gesagt, ist es mit der gegenwärtigen Fertigungstechnik von Operationsverstärkern praktisch nicht möglich, hier tatsächlich auch Gleichspannung zu verstärken - und es ist auch nicht sinnvoll. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Gleichspannungsverstärkung zu verringern bzw. auszuschalten:
Für eine untere Grenzfrequenz von unter 20 Hz muß der Kondensator dann eine Kapazität von 4,7 F haben. Hörtests mit einem 6,8 F Kondensator (entsprechend 13 Hz untere Grenzfrequenz) gaben mir allerdings den Eindruck einer reduzierten Tiefendynamik (Wucht) gegenüber der ,,offenen`` Version mit voller DC-Verstärkung. Will man deshalb beisspielsweise auf eine untere Grenzfrequenz von 1 Hz gehen, dann benötigt man einen Kondensator von 82 F, und der ist als Folientyp sehr groß und teuer. Ein Elko kommt nicht in Frage, weil keine nennenswerte Gliechspannung an ihm anliegt und er deshalb hohe Verzerrungen erzeugt.
Ein Bild der bestückten Platine findet sich in Abbildung 2.2 auf Seite .