Zur Theorie der Schallplattenentzerrung

Zusammenfassung:

Es werden die theoretischen Grundlagen der Schneide- und Entzerrkennlinien bei der Wiedergabe von Schallplatten erörtert. Dabei werden neben der genormten RIAA-Kennlinie auch andere früher verwendete Kennlinien beschrieben.

Die Schneidkennlinie

Schallplatten werden aufgrund von technischen Problemen mit einer verzerrten Übertragungskennlinie geschnitten. 1955 wurde diese Kennlinie von der RIAA¹ genormt, weil zuvor von den verschiedenen Plattenfirmen verschiedene Kennlinien verwendet wurden.

Die meisten Schneidkennlinien bestehen aus einem dreipoligen Filter:

eine Höhenanhebung im Baßbereich:

$\begin{displaymath} A_{1}=1+j\omega \tau _{lo}\end{displaymath}$
ein Tiefpaß im Mitteltonbereich:

$\begin{displaymath} A_{2}=\frac{1}{1+j\omega \tau _{mid}}\end{displaymath}$
eine Höhenanhebung im Höhenbereich:

$\begin{displaymath} A_{3}=1+j\omega \tau _{hi}\end{displaymath}$

Die Kombination dieser drei Einzelkomponenten ergibt die Übertragungsgleichung $A_{S}$ der Schneidkennlinie zu:

$\begin{displaymath} A_{s}=A_{1}A_{2}A_{3}=\frac{(1+j\omega \tau _{lo})(1+j\omega \tau _{hi})}{1+j\omega \tau _{mid}} \end{displaymath}$

(1)

Die verschiedenen mir bekannten $\tau$ -Werte für Langspielplatten sind in der folgenden Tabelle aufgelistet:

	Baßbereich		Mitteltonbereich		Hochtonbereich
Kennlinie	$\tau _{lo}$ / $\mu s$	$f_{lo}$ / Hz	$\tau _{mid}$ / $\mu s$	$f_{mid}$ / Hz	$\tau _{hi}$ / $\mu s$	$f_{hi}$ / Hz
RIAA / CCIR	3180	50.05	318	500.5	75	2122
London ffrr LP 1953	1590	100	354	450	53	3000
EMI LP	2274	70	318	500	63.7	2500
NAB	-	-	318	500	99.5	1600

Die Entzerrkennlinie

Der Schallplattenvorverstärker muß dementsprechend eine Entzerrkennlinie haben, die das genaue Gegenteil der Schneidkennline ist. Die Übertragungsgleichung $A_{E}$ der Entzerrkennlinie ergibt sich deshalb zu:

$\begin{displaymath} A_{e_{RIAA}}=1/A_{s}=\frac{1+j\omega \tau _{mid}}{(1+j\omega \tau _{lo})(1+j\omega \tau _{hi})} \end{displaymath}$

(2)

Die Übertragungsgleichungen der einzelnen Pole sind dann:

ein Tiefpaß bei $\tau _{lo}$ :

$\begin{displaymath} A_{e_{1}}=\frac{1}{1+j\omega \tau _{lo}} \end{displaymath}$ (3)
eine Höhenanhebung bei $\tau _{mid}$ :

$\begin{displaymath} A_{e_{2}}=1+j\omega \tau _{mid} \end{displaymath}$ (4)
ein Tiefpaß bei $\tau _{hi}$ :

$\begin{displaymath} A_{e_{3}}=\frac{1}{1+j\omega \tau _{hi}} \end{displaymath}$ (5)

Die standardisierte RIAA-Entzerrungskennlinie ergibt sich damit zu:

$\begin{displaymath} A_{e_{RIAA}}=\frac{1+j\omega 318\mu s}{(1+j\omega 3180\mu s)(1+j\omega 75\mu s)} \end{displaymath}$ (6)

Viele Jahre nach Festlegung der RIAA-Kennlinie wurde von der IEC noch ein zusätzlicher 4. Pol festgelegt, der jedoch nur bei der Wiedergabe verwendet wird. Es handelt sich dabei um einen Hochpaß von 20,02 Hz (7950 $\mu$ s), der als Filter gegen Rumpeln und Infraschall durch verwellte Schallplatten dienen soll:

$\begin{displaymath} A_{IEC}=\frac{1}{1+\frac{1}{j\omega 7950\mu s}} \end{displaymath}$ (7)

Die Übertragungsgleichung $A_{E}$ der IEC-Entzerrkennlinie ergibt sich dann zu:

$\begin{displaymath} A_{e_{IEC}}=A_{e_{RIAA}}A_{IEC}=\frac{1+j\omega 318\mu s}{(1... ... 3180\mu s)(1+j\omega 75\mu s)(1+\frac{1}{j\omega 7950\mu s})} \end{displaymath}$ (8)

Ein Bodeplot von der RIAA-Entzerrung und der IEC-Entzerrung von 2 Hz bis 200 kHz findet sich unten.

$\begin{picture}(1500,900)(0,0) \font\gnuplot=cmr10 at 10pt \gnuplot \sbox{\plotp... ...3.287){0}{\usebox{\plotpoint}} \put(1436,213){\usebox{\plotpoint}} \end{picture}$

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Fußnoten

... RIAA ¹: Recording Industry Association of America

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